Mogeleien um Mobilfunk an der Medizinischen Universität Wien

23.05.2008 Pressemitteilung MedUni Wien:

Verdacht auf fehlerhafte Studie der ehemaligen Abteilung für Arbeitsmedizin

Wien - Rektor der Medizinischen Universität Wien fordert Autoren seiner Universität zur Rücknahme auf - Herausgeber der Publikation wird jedenfalls über den Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten informiert.

Rasch und eindeutig hat der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Wolfgang Schütz, reagiert, als gravierende Verdachtsmomente an der wissenschaftlichen Korrektheit einer Studie der ehemaligen Abteilung für Arbeitsmedizin auftauchten. Die Causa verhält sich folgendermaßen:

An der ehemaligen Klinischen Abteilung für Arbeitsmedizin der Medizinischen Universität Wien wurden - auch unter Beteiligung externer WissenschafterInnen - im Jahr 2005 und 2008 zwei Arbeiten publiziert, in denen an bestimmten Zelltypen eine DNA-schädigende Wirkung von Mobilfunk-Strahlung beschrieben wird. DNA-Schäden wurden sowohl mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von 1.800 MHz (GSM-Signale, Diem et al. 2005 1) als auch von 1.950 MHz (UMTS-Signale, Schwarz et al. 2008 2) gemessen. Die Statistik der Daten wurde von anderen Forschergruppen in ebenfalls publizierten "Letters to the Editor" angezweifelt 3) 4). Eine vom Rektor der Medizinischen Universität daraufhin - und auch im Zuge einer Reorganisation des Bereichs Arbeitsmedizin - angeregte unabhängige statistische Begutachtung der Daten legt nun tatsächlich den Verdacht nahe, dass diese nicht experimentell gemessen, sondern vielmehr fabriziert wurden. Der Verdacht wird durch die Tatsache wesentlich erhärtet, dass - im Rahmen einer Überprüfung der methodischen Vorgehensweise einer in beiden Arbeiten aufscheinenden Autorin - diese überführt werden konnte, dass ihre gesamte Vorgehensweise auf die Erzeugung vorgefasster Resultate angelegt war. Die Mitarbeiterin hat ihr Verhalten sofort eingestanden und ihr Arbeitsverhältnis zur MUW unmittelbar darauf gekündigt.

Da sich bis jetzt nicht alle AutorInnen seiner Universität zur Rücknahme beider Arbeiten bereit erklärt hatten, wird vom Rektor der MUW als erste Maßnahme ein Schreiben an die Herausgeber der beiden Journale, wo die Arbeiten erschienen sind, mit dem Hinweis verfasst werden, dass den genannten Publikationen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ein schweres wissenschaftliches Fehlverhalten zugrunde liegt.

Der korrespondierende Autor der beiden Publikationen, Univ. Prof. Dr. Hugo Rüdiger, ging mit Oktober 2007 als Emeritus in Pension, die vom ihm geleitete Klinische Abteilung für Arbeitsmedizin ist bereits mit Beginn des Jahres 2007 geschlossen worden. Der fachliche Bereich selbst unterliegt derzeit einer intensiven Reorganisation, u.a. auch um hier die Einhaltung wissenschaftsethischer Kriterien langfristig sicherzustellen.

Rektor Wolfgang Schütz verweist darauf, dass es in der "forscherischen Praxis bedauerlicherweise immer wieder zu Malversationen kommt. Deshalb muss man rasch und entschieden handeln. Das ist die MUW dem Ruf der Universität, den Forschenden und Lehrenden, den Studierenden und nicht zuletzt auch der Öffentlichkeit schuldig." Rektor Schütz ist zuversichtlich, dass "die Autoren letztlich einsichtig reagieren, da es auch um ihre wissenschaftliche Reputation geht."

1) E Diem, C Schwarz, F Adlkofer, O Jahn H Rüdiger (2005) Non-thermal DNA-breakage by mobile-phone radiation (1800 MHz) in human fibroblasts and in transformed GFSH R17 rat granulosa cells in vitro. Mutation Res 583, 178 183

2) C Schwarz, E Kratochvil, A Pilger, N Kuster, F Adlkofer, HW Rüdiger (2008) Radiofrequency electromagnetic fields (UMTS, 1950 MHz) induce genotoxic effects in vitro in human fibroblasts but not in lymphocytes. Int Arch Occup Environ Health, DOI 10.1007/s00420-008-0305 5

3) Vijayalamaxi, JP McNamee, MR Scarfi (2006) Comments on "DNA strand breaks" by Diem et al. [Mutation Res 583 (2005), 178 183] and Ivancsits et al. [Mutation Res 583, 184 188], Mu¬tation Res 603, 104 106

4) A Lerchl (2008) Comments on Radio¬frequency electromagnetic fields (UMTS, 1950 MHz) induce genotoxic effects in vitro in human fibroblasts but not in lymphocytes. Int Arch Occup Environ Health, DOI 10.1007/ s00420-008-0305 5, Int Arch Occup Environ Health, in press

Medizinische Universität Wien - Kurzprofil

Seit 1. Jänner 2004 agiert die Medizinische Universität Wien (Vormals Medizinische Fakultät an der Universität Wien, gegründet 1365) in universitärer Autonomie und Selbstverwaltung. Mit rund 5.500 Mitarbeitern ist sie die größte Forschungseinrichtung in Österreich - 31 Kliniken und Klinische Institute am Wiener Allgemeinen Krankenhaus und 12 medizintheoretische Zentren unterstreichen die Rolle der Medizinischen Universität Wien im internationalen Umfeld.

Rückfragehinweis:

Mag.a Nina Hoppe
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit & Sponsoring
Tel.: 01/ 40 160 11 502
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
Spitalgasse 23, A - 1090 Wien


Weitere Informationen:

Der SPIEGEL: Die Fälscher von Wien

Laborjournal: GAU in Wien

Der SPIEGEL, Nr 26/2009/Seite 126: Mauschelei um Mogelstudien


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