Kommentar von G.W. Bruhn und K. Keck zu der Arbeit [1]

In Vitro Examination of Potentized Atropine Sulfate Dilutions
on the Contractility of the Isolated Rat Ileum

der Autoren

Christiane Siegling-Vlitakis, D.V.M.1, Holger Martens, D.V.M.2, and Rainer Lüdtke, M.Sc.2,
1Institut für Veterinär-Physiologie, Freie Universität Berlin, Berlin, Germany, 2Karl and Veronica Carstens-Stiftung, Essen, Germany.

Vorwort

Was macht ein Homöopath, der den Auftrag erhält, die früheren angeblich positiven Versuchsergebnisse einer homöopathisierenden Kollegin zu überprüfen, aber auch um seinen Ruf fürchtet?

Er verfasst mit Mitarbeitern eine Arbeit, welche den früheren positiven "Ergebnissen" der Kollegin diametral widerspricht, erwähnt aber die widerlegte Kollegin nur an kaum sichtbarer Stelle, nämlich als Ko-Autorin von 2 Arbeiten im Literaturverzeichnis. Dabei ignoriert er den ihm wohlbekannten Umstand, dass die wichtigere der Arbeiten bereits vor Jahren von der Kollegin als fehlerhaft zurückgezogen wurde.


Die Autoren berichten über Ihre Untersuchungen der (Nicht-)Wirkung von homöopathischen Lösungen von Atropinsulfat der "Potenzen" D6, D32 und D100 auf den präparierten Rattendarm. Wir geben hier eine auf das Wesentliche reduzierte Inhaltsangabe der Arbeit (Zitate in schwarz) mit unseren Kommentaren dazu in blau. Bezugnahmen auf unser Quelleverzeichnis erfolgen durch die Symbole [1], [2], . . . .

Abstract

Objectives: The aim of the study was to determine the effects of homeopathic dilutions of atropine sulphate D6, D32, and D100 compared to the potentized diluents L6, L32, and L100 on ACh-induced contraction of isolated rat ileum. . . .

Results: No significant effects of atropine sulphate D6, D32, or D100 could be found (all p>0.4 after Bonferoni-Holm correction) compared to the potentized diluents L6, L32, and L100, respectively. These figures did not change considerably even when strict a priori criteria were applied that define a measurement as valid and comparable.

Conclusions: Our experiments could not replicate previous results on the effects of homeopathic atropine.

Das ist für eine Arbeit, die von der Homöopathie-orientierten Karl und Veronika-Carstens-Stiftung finanziert wurde, ein äußerst bemerkenswertes Resultat, verneint es doch schlicht die homöopathische Wirkung von Atropinsulfat, dessen Ruf als Homöopathikum ohnehin angezweifelt wird.

Introduction.

. . . The theory that extreme dilution makes drugs more powerful is inconsistent with the laws of chemistry and physics.

Sehr richtig! Offenbar aber hegen die Autoren von [1] Zweifel an der Gültigkeit der "laws of chemistry and physics", und so machen sie sich auf den mühevollen Weg der Überprüfung der Gesetze von Physik und Chemie in diesem Spezialfall:

In our study, we investigated atropine sulphate, the main constituent of A. belladonna, and compared in a double-blind manner the effects of potentized atropine sulfate (D6, D32, and D100) and potentized diluents (L6, L32, and L100) on acetylcholine (ACh)-induced contraction of the rat isolated ileum preparation. No significant effects of atropine sulphate D6, D32, or D100 could be found.

Wen wundert dieses Resultat?

There were two main reasons why we investigated homeopathic potencies of atropine sulphate in our study, and not potencies from belladonna. First, we felt that the use of a chemically exactly defined substance might help in the discussion with pharmacologists if the study results turned out positive. Second, this study was set up as a replication of a previous study 14,15 (F. Schmidt, unpublished observations). This was also the reason why we chose D6, D32, and D100 potencies.

Den Autoren von [1] scheint an dieser Stelle entgangen zu sein, dass unter 14,15 in ihren References auch die Namen Karen Nieber und Wolfgang Süß genannt werden, beide Professoren am Institut für Pharmazie der Universität Leipzig, der letztgenannte inzwischen in Pension.

Und just für diese Arbeiten erhielten die Autoren der Arbeit 15 lt. Mitteilung Nr.2003/378 der Universität Leipzig vom 14.11.2003 mit dem Titel

Preis für Wirkungsnachweis homöopathischer Mittel

den Hans-Heinrich-Reckeweg-Preis 2003 der Internationalen Gesellschaft für Homotoxikologie e.V. und der Internationalen Gesellschaft für Biologische Medizin e.V.:

Warum werden diese Preisverleihungen dem Leser verschwiegen?

Weil es nach Einsprüchen von G.W. Bruhn, K. Keck und W. Wielandt bei der Universität Leipzig zwei weitere Pressemitteilungen der Universität Leipzig gab: Mitteilung Nr.2005/425 vom 02.12.2005 und Nr.2005/459 vom 22.12.2005.
In Mitteilung Nr.2005/425 vom 02.12.2005 findet man:


Pharmakologin räumt Fehler ein

Ehe die Ständige Kommission der Universität Leipzig zur Untersuchung von Vorwürfen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens Mitte Dezember sich mit der wissenschaftlich beanstandeten Arbeit, der ein Beweis der Wirksamkeit homöopathischer Präparate nachgesagt wird, abschließend befasst, einschließlich der daraus abzuleitenden Konsequenzen, hat sich bereits die Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie des Themas angenommen. Im Ergebnis dessen hat Frau Prof. Nieber ihren Anteil an dem für die Studie verliehenen Hans Heinrich Reckeweg-Preis zurückgegeben. Des Weiteren hat sie eine entsprechende Reaktion, ein Erratum, gegenüber dem Herausgeber der Zeitschrift "Biologische Medizin", in der der inkriminierte Beitrag "In vitro Testung von homöopathischen Verbindungen" erschienen war, angezeigt. . . .


Hier kann man nachlesen, dass die Arbeit 15 des Literaturverzeichnisses von der federführenden Autorin K. Nieber selbst als fehlerhaft bezeichnet wurde, ohne eine Berichtigung nachzuliefern. Die Arbeit Nr.15 ist damit irrelevant und kann allenfalls bei erneuter Überprüfung der früheren Ergebnisse als Vorlage dienen. Frau Prof. Nieber setzte die Forschungsarbeit an dem genannten Thema nicht fort, weil ihr die Behebung der monierten Fehler offenbar nicht möglich war.

Zitat aus der Ankündigung {6] der Arbeit [1] bei IDW: Die Veröffentlichung soll dazu beitragen, die scharf und kontrovers geführte Diskussion in dieser Sache wieder auf eine sachliche, wissenschaftlich angemessene Ebene zu heben.

Meint der Verfasser F. Betsch die von der Universität Leipzig gegen Frau Nieber verhängten Sanktionen [5] oder die dem vorangehenden, in [2] dokumentierten Argumente? Der Leser kann sich an Hand der genannten Dokumente von der sachlichen Argumentation selbst ein Bild machen. Von Unsachlichkeit und/oder Unwissenschaftlichkeit kann da wohl kaum die Rede sein.

Die eigentliche (verdeckte) Intention der hier vorliegenden Arbeit war es, zu versuchen, die Niebersche Arbeit zum Nachweis homöopathischer Effekte dennoch weiterzuführen. Wie man sieht, ist dieser Versuch kläglich gescheitert:

Conclusions

In conclusion, our experiments could not replicate previous results on the effects of homeopathic substances.

Immerhin sind die Autoren, wenn auch mit gewundenen Worten, objektiv genug, den Fehlschlag Ihrer Fortführung der Nieberschen Versuche einzuräumen, wobei allerdings die explizite Benennung der Quelle "Nieber" sorgfältig vermieden wird. Der Name Nieber kommt nur in den References vor.

References

. . .

14. Radau K, Nieber K, Süß W. Importance of tribomechanical activated a-lactosemonohydrate for the transfer of the therapeutical active ingredient form agitated ultra high dilutions to triturations. In: Proceedings of Proc. International Meeting on Pharmaceutics, Biopharmaceutics and Pharmaceutical Technology; March 15–18, 2004. Mainz: Arbeitsgemeinschaft fuür Pharmazeutische Verfahrenstechik, 2004: 45–46.

15. Schmidt F, Süß W, Nieber K. In vitro tests of homeopathic dilutions [in German]. Biol Medizin 2004;1:32–37.

. . .

Quellen

[1] C. Siegling-Vlitakis, H. Martens und R. Lüdtke: In Vitro Examination of Potentized Atropine Sulfate Dilutions
on the Contractility of the Isolated Rat Ileum
, THE JOURNAL OF ALTERNATIVE AND COMPLEMENTARY MEDICINE Volume 15, Number 10, 2009, pp. 1121–1126.

[2] G. Bruhn, E. Wielandt, K. Keck: Kommentar: Der Preis für den Wirkungsnachweis homöopathischer Mittel, den die Leipziger Pharmazeuten Apothekerin Franziska Schmidt, Prof. Karen Nieber und Prof. Wolfgang Süß 2003 erhalten haben, beruht auf einer Falschmitteilung,
      http://www.xy44.de/belladonna/index.htm

{3] K.Keck: Homöopathieforschung an der Universität Leipzig, Skeptiker /2005,
      http://www.gwup.org/infos/themen-nach-gebiet/77-komplementaer-und-alternativmedizin-cam/767-homoeopathieforschung-an-der-universitaet-leipzig-skeptiker-32005

[4] Mitteilung Nr.2003/378 der Universität Leipzig vom 14.11.2003,
      http://www.zv.uni-leipzig.de/service/presse/pressemeldungen.html?ifab_modus=detail&ifab_id=1404

[5] Mitteilung Nr.2005/425 der Universität Leipzig vom 02.12.2005,
      http://www.zv.uni-leipzig.de/service/presse/pressemeldungen.html?ifab_modus=detail&ifab_id=2204

[6] F. Betsch, Homöopathie: keine Effekte auf den Rattendarm im Laborversuch,
      http://idw-online.de/pages/de/news342467