Beweisversuche zum Titius-Bode-Gesetzes von W.M. Bauer und K. Meyl

 

Von Gerhard Bruhn, Technische Universität Darmstadt

 

I.   aus: W.M. Bauer, Welt der Wirbel und Atome, II.5, S.6-7,   (1979)

... Sonne und der auf die Sonne bezogene Bahndrehimpuls Jp des Planeten. Der Eigendrehimpuls des Planeten übt keinen Einfluss aus und es gilt:

dJs + dJp = 0                                                                                     (1)

Beschreiben kann man die auftretenden Drehimpulsänderungen durch ein Drehmoment M, welches die Sonnenrotation verzögert und den Drehimpuls des Planeten vergrößert:

M = dJp/dt =  - dJs /dt                                                                                  (2)

Da die Zentralabstände nur langsam wachsen, können für den betrachteten Augenblick Fliehkraft und Anziehungskraft als ausgeglichen betrachtet werden. Die der Zentralbeschleunigung ar:

ar = - w2/r                                                                                        (3)

entgegengerichtete Zentrifugalkraft Fz:

Fz = - mp ar = mp w2/r                                                                                  (4)

ist somit entgegengesetzt gleich der Newtonschen Anziehungskraft Fp auf den betrachteten Planeten mit der Masse mp und dem Zentralabstand r:

Fp = - G mp ms / r2                                                                                       (5)

Aus (4) und.(5) folgt:

w2 = G ms / r                                                                                          (6)

Für den Bahndrehimpuls Jp des Planeten mit der Umlaufgeschwindigkeit w gilt definitionsgemäß:

Jp = mp rw                                                                                                    (7)

wofür man wegen (6) auch schreiben kann:

Jp =G mp ms / w                                                                                            (8)

Ableitung nach der Zeit t ergibt:

dJp/dt = - G mp ms w-2 dw/dt = - Jp w-1 dw/dt                                                                   (9)

Wegen (6) gilt auch:

Jp = mp (G msr)1/2                                                                                          (10)

und nach der Zeit abgeleitet:

dJp/dt = Jp/2r dr/dt                                                                                       (11)

Aus (9) und (11) folgt:

-2w-1 dw/dt = r-1 dr/dt                                                                                      (12)

Die linke Seite ist nur von w, die rechte Seite nur von r abhängig. Für beliebige, voneinander unabhängige Werte von w und r ist Gleichung (12) befriedigt, wenn beide Seiten ein und derselben Konstanten K gleichgesetzt werden können. Es folgt dann mit K>0:

2 dw / w = - K dt                                                                                         (13)

oder:

w2 = w02 e-Kt                                                                                             (14)

und:

w = w0 e-Kt/2                                                                                            (15)

Aus Abb.1 ist ersichtlich, dass (15) mit den Beobachtungen bestens übereinstimmt, wenn man davon ausgeht, dass die Planeten am gleichen Ort in gleichbleibenden zeitlichen Abständen entstanden sind. K ist eine sehr kleine Größe der Dimension s-l. K ist nur abhängig vom Zentralgestirn und besitzt daher für alle Planeten den gleichen Wert. Den Keplerschen Gesetzen entspricht der idealisierte Grenzfall mit K=o. Analog erhält man für die rechte Seite von (12):

                                                                                                                                         (16)

oder:                                                                                                                                              (17)

Auch diese Beziehung steht, wie aus Abb.2 ersichtlich, in bester Übereinstimmung mit den Beobachtungen, wenn von der gleichen Voraussetzung über die Planetenentstehung ausgegangen wird.

 

Kritik:

Wir greifen einen Absatz heraus:

Aus (9) und (11) folgt: 

                                                                                                                  (12)

Die linke Seite ist nur von w, die rechte Seite nur von r abhängig. Für beliebige, voneinander unabhängige Werte von w und r ist Gleichung (12) befriedigt, wenn beide Seiten ein und derselben Konstanten K gleichgesetzt werden können. ...

 

Die angegebene Folgerung, linke und rechte Seite müssten konstant sein, ist falsch. (12) verlangt nur, dass linke und rechte Seite von (12) mit der gleichen Funktion von t übereinstimmen müssen, also K = K(t) mit noch frei wählbarem K(t). Allerdings wurde oben noch mehr vorausgesetzt: W.M. Bauer setzt stillschweigend die Planetenbahnen als Kreisbahnen voraus, indem er davon ausgeht, dass sich längs dieser Bahnen Gravitationskraft (5) und Fliehkraft (4) das Gleichgewicht halten, was die Beziehung

w2 = G ms / r                                                                                          (6)                                     

zur Folge hat. Bei nicht kreisförmigen Bahnen würde die Fliehkraft nicht mehr radial wirken, die Gleichgewichtsbedingung (6) wäre also falsch formuliert.  (6) besagt, dass ein Planet sich auf einer Kreisbahn mit Radius r nur dann halten kann, wenn er sich mit der aus (6) resultierenden Geschwindigkeit w=(G ms / r)½ entlang seiner Kreisbahn bewegt. Aus (6) ergibt sich durch Logarithmieren und anschließende Differentiation die Beziehung

- 2 dw/w = dr/r                                                                                 (12’),                                     

aus der umgekehrt durch Integration wieder w2 = C/r gefolgert werden kann. Die Einsetzung der Bahndaten w1, r1 eines Planeten, die ja (6) erfüllen müssen, erlaubt dann die Bestimmung der Integrationskonstanten C und führt vollends zu (6) zurück. (12’) und Bauers Gleichung (12) ist nur eine (überflüssige) kompliziertere Formulierung der Beziehung (6).     

Die Einführung der Zeit im Anschluss an Gleichung (8) ist überflüssig, weil die betrachteten Größen, der Kreisbahnradius  r und die zugehörige Bahngeschwindigkeit w, sich längs der Bahn nicht ändern und folglich zeitlich konstant sind. Die Gleichung (12) ist somit wegen dw/dt = dr/dt = 0 erfüllt. Der Schluss auf andere Zeitabhängigkeiten ist mit der Voraussetzung von Kreisbahnen nicht verträglich und somit falsch. Es ist K =0 zu wählen, um die Annahme der Kreisbahn zu erfüllen.

Die von W.M. Bauer angegebene "Titius-Bode-Lösung" ist ein mit der Kreisbahn-Annahme unvereinbares Artefakt.

Bemerkung: Die Gleichung (12) allein legt die Abhängigkeit von dem Parameter t überhaupt nicht fest. Tatsächlich besagt (12) nur, dass zwei Funktionen w=w(t) und r=r(t) derart zu wählen sind, dass auf  beiden Seiten der Gleichung (12) die gleiche Funktion von t steht, also nicht unbedingt eine Konstante K.

 


II. aus: K. Meyl, Elektromagnetische Umweltverträglichkeit, Teil 2, S.36  (1999)

 

Das Vorgehen gleicht eingangs dem von W.M. Bauer, abgesehen von Unterschieden in den Bezeichnungen. Mit (12.8) werden stillschweigend Kreisbahnen um die Sonne angenommen. In Gleichung (12.12) stehen die Variablen rn und vn (gemeint sind Funktionen r(n) und v(n)) getrennt. Wie bei W.M. Bauer wird der falsche Schluss gezogen, deshalb müsse linke und rechte Seite eine Konstante sein, die mit 1/N bezeichnet wird, statt K bei W.M. Bauer. Der Parameter n (statt t bei Bauer) wird von Meyl dazu benutzt, unterschiedliche Bahnen zu beschreiben. Die Wahl konstanten Verlaufs von N(n) liefert dann das Titius-Bode-Gesetz.

Wir wollen durch ein Beispiel demonstrieren, dass jedes andere „Titius-Bode“-Gesetz in gleicher Weise „hergeleitet“ werden kann. Angenommen, ein Vetter der Herren Bode und Titius habe in einem anderen Planetensystem beobachtet, dass dort die Bahnradien sich wie die Quadrate der ganzen Zahlen verhalten, also

r(n) = r1 .n2,                                                                                       (TB')                           

während die Beziehung 

v = (Gms / r)½                                                                                   (12.8)                         

bestätigt werden konnte, die - wie bei Bauer die Gleichung (6) - das Gleichgewichts zwischen Gravitation und Zentrifugalkraft sichert.

N ist nicht notwendig konstant, aus 1/N(n) = r-1dr/dn = 2/n folgt vielmehr N(n)=n/2. Die Differentialgleichung für v,

dv/dn = - v/(2N(n))= -v /n,                                                                         (12.12')                      

ergibt dann

v(n) = v1 /n     mit       v1 = (Gms / r1 )½             nach (12.8).

Damit ist v2 = v1 2 / n2 = v1 2 r1 /r = Gms /r, d.h. (12.8) ist auch bei Benutzen der Lösung der v-Differentialgleichung (12.12) erfüllt.

Mithin konnte die abgeänderte Titius-Bode-Regel (TB') des neuen Planeten-Systems durch eine geeignete Wahl von N(n) ebenfalls "bewiesen" werden.

K. Meyl hat seine Wahl eines konstanten N(n) nicht ausreichend begründet. (Die von W.M. Bauer übernommene Begründung ist falsch.) Deshalb ist jede andere Wahl von N(n) ebenfalls möglich. Die Gleichung (12.12) allein legt das Ergebnis nicht fest:

Die von W.M. Bauer und K. Meyl  angegebene "Titius-Bode"-Lösung ist somit nach wie vor unbewiesen.

 

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